PRESSEMITTEILUNG - Menschen mit Diabetes Typ 1 und Typ 2: Stabil durch die Pandemie

DDS-geförderte Studien untersuchen Versorgungssituation im Lockdown
Menschen mit Diabetes Typ 1 und 2: Stabil durch die Pandemie

Düsseldorf, 16. Februar 2022 - Wie gut wurden Menschen mit Diabetes während der Lockdown-Phasen medizinisch betreut? Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf ihre Lebenssituation? Und gab es gesundheitliche Auswirkungen? Fragen wie diese hat die Deutsche Diabetes Stiftung (DDS) bereits im ersten Pandemie-Jahr adressiert und mehrere Projekte gefördert, die die Versorgungsrealität von Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes untersucht haben. Erste Antworten aus den damals angestoßenen Studien gaben Experten nun auf einer Online-Pressekonferenz am Mittwoch, dem 16. Februar 2022, vor.

Seit beinahe zwei Jahren prägt die Coronapandemie unseren Alltag. Während Gesunde in dieser Zeit „nur“ von Auswirkungen im privaten und beruflichen Bereich betroffen waren, mussten Menschen mit chronischen Krankheiten auch bei der medizinischen Betreuung Änderungen hinnehmen. Gerade während des ersten Lockdowns standen nicht alle gewohnten Versorgungsangebote wie Präsenz-Sprechstunden und -Schulungen zur Verfügung, zum Teil wurden sie aus Angst vor Ansteckung auch von den Patientinnen und Patienten selbst gemieden. „Speziell bei Diabetespatienten kommt hinzu, dass sie einer Risikogruppe für einen schweren COVID-Verlauf angehören“, sagt Professor Hans Hauner, Vorstandsvorsitzender der DDS und Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums am TUM-Klinikum rechts der Isar und am Wissenschaftszentrum Weihenstephan. Neben möglichen Folgen für die Stoffwechselgesundheit sei daher auch mit einer höheren psychischen Belastung durch die Pandemie zu rechnen gewesen.
 

Diese Befürchtungen bestätigten sich in den nun vorgelegten Studien glücklicherweise nicht. „In der Gesamtschau sind Menschen mit Diabetes, die wegen ihres Stoffwechselleidens bereits vor der Pandemie in Behandlung waren, gut durch die Lockdown-Phasen gekommen“, freut sich Hauner. Menschen, die bereits gelernt hatten, mit ihrem Diabetes umzugehen, hätten ihre Krankheit offenbar auch in den Lockdown-Phasen routiniert bewerkstelligt. So zeige eine der geförderten Studien, dass Menschen mit einem Typ-2-Diabetes nach dem ersten Lockdown weder eine schlechtere Stoffwechseleinstellung aufwiesen noch einen höheren BMI. Auch die Rate psychischer Störungen blieb unverändert. Aber auch aufseiten der medizinischen Versorger sei in kurzer Zeit viel bewegt worden, betont Hauner: Diabetesberatungen und -schulungen wurden auf digitale Formate umgestellt, und auch in der ärztlichen Betreuung konnte der Wegfall von Praxisbesuchen zumindest teilweise durch telefonische oder Videokontakte aufgefangen werden. „Der Schub, den die Telemedizin durch die Pandemie bekommen hat, wird uns auch langfristig zugutekommen“, sagt Hauner. Die digitalen Möglichkeiten trügen dazu bei, Versorgungslücken zu schließen, die nicht nur während der Pandemie bestünden. Besonders für Diabetesbetroffene, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, stelle die Videosprechstunde eine große Erleichterung dar - sie erspare lange Anfahrtswege und Wartezeiten und könne so letztlich die Betreuungsintensität sogar erhöhen.
 

Auffällige Pandemie-Effekte gab es jedoch im Bereich der Typ-1-Neuerkrankungen. So liefern die Studien Hinweise darauf, dass ein beginnender Typ-1-Diabetes während der Pandemie häufig erst verspätet diagnostiziert wurde. „Besonders bei Kindern unter sechs Jahren traten vermehrt Ketoazidosen auf“, erläutert Hauner – schwere Stoffwechselentgleisungen, die bei einer instabilen Stoffwechsellage auftreten können, aber auch bei einem noch unerkannten und daher unbehandelten Diabetes. Rund drei Monate nach den jeweiligen COVID-19-Wellen kam es darüber hinaus zu einem deutlichen Anstieg der Typ-1-Inzidenz – die Zahl der Neuerkrankungen nahm in diesen Phasen vorübergehend um rund 15 Prozent im Vergleich zum vorpandemischen Niveau zu. „Worauf diese Häufungen zurückzuführen sind, ist noch weitgehend unklar“, sagt Hauner. Vor allem indirekte Effekte der Pandemie – wie etwa psychische Belastungen – kämen als mögliche Ursachen in Frage.
 

Wie unter einem Brennglas treten in der Krise aber auch Defizite zutage – etwa in der Verfügbarkeit und der Struktur medizinischer Daten. „Es ist in Deutschland nach wie vor sehr schwer, reale Versorgungsdaten zu bekommen“, fasst Hauner die Erfahrung aus den nun vorgestellten Studien zusammen. Im deutschen Gesundheitssystem würden zwar viele Routinedaten kontinuierlich gesammelt, aber so gut wie nicht genutzt – sei es aus Gründen des Datenschutzes, wegen bürokratischer Hürden, fehlender Flexibilität oder schlicht aus Desinteresse. „Hier sind die verantwortlichen Stellen in der Politik und bei den Krankenkassen gefordert, die eingehenden Daten unter Wahrung des Datenschutzes zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen“, sagt Hauner. Nur so könnten bestehende Probleme rasch identifiziert und gezielt adressiert werden. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die deutsche Versorgungsforschung weiterhin auf Informationen aus anderen Ländern angewiesen ist, weil die eigenen Routinedaten nicht zugänglich sind“, so der DDS-Vorsitzende.
 

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