Offener Brief an die FDP-Parteispitze: Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung unterstützen!

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte stellvertretende Vorsitzende,

mit großer Sorge blicken wir auf die jüngsten Äußerungen von Vertretern Ihrer Partei zu dengeplanten Regelungen für Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung. Mit diesem Schreiben möchten wir an Sie appellieren, eine wirksame Ausgestaltung der im Koalitionsvertragvereinbarten Werbeschranken zu unterstützen und nicht in Abrede zu stellen.

Anders als Vertreter Ihrer Partei es darstellen, ist eine Werbebeschränkung für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt weder eine Beschneidung der persönlichen Freiheit noch eine staatliche Bevormundung. Ganz im Gegenteil: Die allgegenwärtige Werbung für unausgewogene Lebensmittel beeinflusst nachweislich die Präferenzen, das Kaufverhalten und das Essverhalten von Kindern in negativer Weise – auch wenn die Lebensmittel- und Werbeindustrie diesen Zusammenhang in Zweifel zieht. Wenn Kinder und Jugendliche – in Folge einer Regulierung – weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt werden, stärkt das die souveräne und freie Entscheidung der Familien über die Ernährungsweise ihrer Kinder. Eine Werbebeschränkung verbietet nicht den Konsum bestimmter Produkte, sie verringert die kommerziellen, schädlichen Einflüsse auf die tagtäglichen Konsumentscheidungen.

Unter medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Elternverbänden, Krankenkassen und Verbraucherschutzorganisationen besteht ein einhelliger Konsens, dass Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel ein wichtiges Instrument zur Förderung gesunder Ernährungsweisen darstellen. Um Wirksamkeit entfalten zu können, müssen sie umfassend ausgestaltet sein.

Eine Beschränkung auf reine Kindersendungen, wie von Vertretern Ihrer Partei vorgeschlagen, würde ihr Ziel hingegen verfehlen. Etwa jede Dritte der beliebtesten Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren ist keine klassische Kindersendung, sondern beispielsweise eine Castingshow, eine Fußballübertragung oder ein Familienfilm. Eine Werberegulierung, die Kinder wirksam vor schädlichen Werbeeinflüssen schützen soll, muss diese Primetime-Formate daher zwingend umfassen. Der Schutz der Kindergesundheit muss Vorrang haben vor den wirtschaftlichen Interessen der privaten TV-Sender, der Werbeindustrie und der Hersteller unausgewogener Lebensmittel.

Wenn die FDP eine „scharfe Kurskorrektur“ des vom Bundesernährungsministerium vorgelegten Entwurfs fordert und sogar die nun bekannt gewordenen Kompromissvorschläge – die bereits ein deutliches Entgegenkommen darstellen – ablehnt, ist dies eine klare Absage an den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen. Damit stellt sich Ihre Partei gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter Fachorganisationen. Wir bitten Sie hiermit eindringlich: Überdenken Sie Ihre Position und priorisieren Sie den Kinderschutz.

Bei Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

AOK-Bundesverband
Aktion gegen den Hunger
Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband (AWO)
Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21)
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)
Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunale Kinderinteressenvertretungen (BAGKinderinteressen)
Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege(BEVKi)
Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd)
Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
D•A•CH-Gesellschaft Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG)
Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
Deutsche Diabetes Stiftung (DDS)
Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe)
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi)
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten(DGVS)
Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (dgh)
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS)
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP)
Deutsche Krebshilfe
Deutsche Liga für das Kind
Deutsche Umwelthilfe (DUH)
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Deutsches Kinderhilfswerk (DKHW)
Deutsches Netzwerk Schulverpflegung (DNSV)
Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF)
Deutscher Frauenring (DFR)
diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
Die Freien Bäcker
FIAN Deutschland
foodwatch Deutschland
Forum Ökologie & Papier
Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE)
Institut für Urban Public Health, Universitätsklinikum Essen
Institut für Welternährung
Internationaler Bund (IB)
Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG-Jugend)
Katholische Erziehergemeinschaft (KEG) Deutschlands
Kompetenznetz Adipositas
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention
PAN International - Physicians Association for Nutrition
Sarah Wiener Stiftung
Slow Food Deutschland
Spielmobile – Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen kulturellen Projekte
Stiftung Bildung
Stiftung Kindergesundheit
Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD)
Verband der Diätassistenten (VDD)
Verband Wohneigentum (VWE)
VerbraucherService Bundesverband im Katholischen Deutschen Frauenbund
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
WWF Deutschland
Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention – ZEP, Krankenhaus Barmherzige Brüder München

Berlin, 18. August 2023

Bildnachweis für das in der Titelmeldung verwendete Foto (Startseite)

Die Nennung erfolgt in der Abfolge, wie die Bilder auf dieser Unterseite von oben nach unten platziert sind:

  1. "Michal Jarmoluk/Pixabay"