Unkenntnis und Ignoranz über das Diabetes-Risiko

Seit vielen Jahren sind die kontinuierlich steigenden Zahlen des Typ-2-Diabetes Gegenstand der Diskussion unter Fachleuten, Menschen mit Diabetes und Laien. Obwohl man sich der Bedeutung einer frühzeitigen Erkennung und Prävention der Erkrankung und ihrer Vorstufe (Prädiabetes) bewusst ist, wird dieses medizinische, psychosoziale und ökonomische Problem noch immer stiefmütterlich behandelt. Daher ist auch die Dunkelziffer von Menschen mit manifestem Typ-2-Diabetes hoch.

Die aktuellen Ergebnisse der deutschen KORA FF4-Studie [Kowall B et al. 2017] bestätigen diesen Trend.

Zwischen Juni 2013 und September 2014 wurden 1.953 Menschen (mittleres Alter: 59 Jahre; 48% Männer) ohne bekannten Diabetes mit Hilfe eines oralen Glukosetoleranztests auf Diabetes untersucht. In den 3 Kategorien hatten 56% eine normale Glukosetoleranz (NGT), 40% einen Prädiabetes und 5% einen bisher unbekannten Diabetes. Die Teilnehmer wurden anschließend, ohne vorherige Kenntnis der Ergebnisse, um eine Einschätzung ihres subjektiv empfundenen Risikos für einen Typ-2-Diabetes gebeten. Die Mehrheit der Teilnehmer (74%) mit bisher unbekanntem Diabetes gab an, ein geringes oder sehr geringes Risiko für einen unentdeckten Diabetes zu haben. Auch bei den Personen mit Prädiabetes schätzten 84% ihr Risiko für einen Typ-2-Diabetes als niedrig bis sehr niedrig ein. Gleichzeitig hielten es in dieser Personengruppe nur etwa 20% der Befragten für wahrscheinlich, in den kommenden Jahren eine Glukosestoffwechselstörung zu entwickeln. Bei den Teilnehmern mit bis dato unentdecktem Diabetes teilten diese Einschätzung 29% der Befragten.

Diese Untersuchungen zeigen deutlich, wie stark das persönliche Diabetes-Risiko unterschätzt wird. Dies kann auch dem Erfolg von Früherkennungsmaßnahmen im Wege stehen. Das subjektiv empfundene Risiko war deutlich geringer bei Männern, geringerer Schulbildung und älteren Menschen.

Die Konsequenzen aus dieser wichtigen Studie sind eindeutig:

  1. Steigerung der Aufklärung (Awareness) der Bevölkerung.
  2. Steigerung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung beginnend bereits im Kindergarten und der Schule.
  3. Regelmäßige Anwendung von Risiko-Fragebögen (FINDRISK, Deutscher Diabetes Risiko Test, KORA Score oder DESIR Score) und die konsequente Umsetzung von Interventions-Maßnahmen je nach Höhe des Risikos.
  4. Screening auf Diabetes bei Hochrisikopersonen einschließlich Check-Up 35 plus.

Quelle: Kowall B et al. Perceived risk of diabetes seriously underestimates actual diabetes risk: The KORA FF4 study. PLos ONE 2017; 12(1):e0171152.

 

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